Allein gelassen in der Krise: Weibliche Hausangestellte während der Pandemie

Allein gelassen in der Krise: Weibliche Hausangestellte während der Pandemie
© Keystone / Alessandro Della Bella

Viele weibliche Hausangestellte mit Migrationshintergrund standen während der Pandemie vor existenziellen Herausforderungen. In Veranstaltungen diskutierten Forschende des NFP 80 mit Betroffenen Wege aus der Prekarität.

Die Forschungsgruppe «Hausangestellte und Covid-19» des NFP 80 untersucht, wie sich die Covid-19-Pandemie auf das Leben von Migrantinnen ausgewirkt hat, die in der Schweiz als Hausangestellte arbeiten. Wer während der Pandemie keinen Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen hatte, konnte auch kein Hilfsangebot des Bundes in Anspruch nehmen. Hausangestellte konnten daher nicht von Kompensationszahlungen wegen Arbeitsausfall profitieren, wie dies beispielsweise über die Kurzarbeitsentschädigung möglich gewesen wäre. Viele weibliche Hausangestellte mit Migrationshintergrund erhielten zudem kaum Anerkennung für ihre Arbeit und waren sozialer Stigmatisierung ausgesetzt.

Zur Situation der Hausangestellten während der Pandemie hat die Forschungsgruppe über 50 Interviews mit Akteuren aus den Bereichen Migration und Soziales sowie über 90 Interviews mit weiblichen Hausangestellten mit Migrationshintergrund geführt. Die Interviews erfolgten in vier grossen und mittleren Städten der Deutsch- und Westschweiz, konkret in Bern, Freiburg, Genf und Zürich.

Raum für Austausch

In allen vier Städten wurden die Ergebnisse anschliessend in World Cafés mit betroffenen Frauen sowie Vertreterinnen und Vertretern der kantonalen Verwaltung diskutiert. Ziel war, Ideen zur Bewältigung von Prekarität zu sammeln, Empfehlungen für die Politik zu diskutieren sowie einen Raum für Austausch und Networking zu schaffen.

Hätte ich meine Arbeitsstelle verloren?

Die Frauen diskutierten angeregt darüber, wie sie die Pandemie erlebt haben. «Ich hätte schon Hilfe angenommen, wenn ich gewusst hätte, an wen ich mich hätte wenden können», berichtete eine der Frauen. Eine Behörde habe sie an eine Hilfsorganisation verwiesen, doch dort habe man ihr gesagt, man sei nicht zuständig. «Dann habe ich meinen Arzt gefragt, aber er konnte mir auch nicht weiterhelfen», sagt sie. Eine andere Frau erklärt: «Wie soll ich Hilfe beantragen, wenn meine Arbeit nicht deklariert ist, das geht ja gar nicht». Eine dritte Frau sagt: «Ich konnte nicht mit meinem Arbeitgeber sprechen. Wenn ich mich krankgemeldet hätte, hätte ich meine Arbeitsstelle verloren. Auch meinen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen konnte ich mich nicht anvertrauen. Wir konkurrierten um die Arbeitsplätze und man hätte mich dem Migrationsamt gemeldet».

Die Interviews zeigen ebenfalls, wie schwierig die Zeit der Covid-19-Pandemie für Hausangestellte mit Migrationshintergrund war. Myrian Carbajal, Leiterin der Forschungsgruppe «Hausangestellte und Covid-19», erläutert, dass die Pandemie für Familien, deren Mitglieder in verschiedenen Ländern leben, eine besondere Herausforderung darstellte. Der finanzielle und psychische Stress sei enorm gewesen. Insbesondere Mütter hätten unter der Angst um das Wohl ihrer Kinder gelitten. Die Geringschätzung ihrer Arbeit habe die Situation der Hausangestellten zusätzlich erschwert «Unsere Arbeit ist weniger wert als jene im Spital», hatte eine Hausangestellte in einem Interview gesagt. «Wir befinden uns ganz unten auf der Liste», sagte eine andere.

In den World Cafés wurden zahlreiche Empfehlungen vorgeschlagen, die sich an die betroffenen Frauen selbst richten sowie an kantonale und Bundesbehörden und weitere Stakeholder-Organisationen. Diese reichen von Selbsthilfemassnahmen wie der Gründung eines Vereins über Informationskampagnen der Behörden für die Betroffenen bis hin zu Gesetzesanpassungen im Hinblick auf die Regelung von Aufenthaltsbewilligungen.

Empfehlungen für Entscheidungsträger als Ziel

Die Forscherinnen und Forscher der Forschungsgruppe werden in den kommenden Monaten alle Diskussionsbeiträge auswerten. «Wir planen auch weitere Gespräche mit Expertinnen und Experten der Sozial- und Gesundheitsbehörden», erklärt Myrian Carbajal. «Uns ist es wichtig, dass die Stimmen der Frauen gehört werden», so die Projektleiterin. Die Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt werden Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt und fliessen in den Schlussbericht des NFP 80 ein.